Newsroom-Aufbau

Wie baut man einen Newsroom auf? Und wozu? Antworten im Interview mit Axa Winterthur.

Brauchen wir einen Newsroom? Und wie funktioniert das genau? Axa Winterthur hat’s vorgemacht und Anfang November als eines der ersten Schweizer Unternehmen einen Newsroom eröffnet. Lorenz Heinzer erläutert die Hintergründe.

Axa Winterthur hat soeben einen Newsroom eingeführt. Wie seid ihr gestartet?

Gut. Das ganze Team ist top motiviert. Auch die Resonanz auf die Kommunikation zu unserem Start war intern wie extern durchwegs positiv. Inzwischen haben wir auch schon verschiedene Anfragen von Kommunikationsteams anderer Unternehmen erhalten, die unseren Newsroom besichtigen wollen. Doch wir stehen erst am Anfang, bis der Newsroom seine volle Wirkung entfalten kann, müssen wir noch weitere Aufbau- und Ausbauarbeit leisten.

Lorenz Heinzer Portrait
Lorenz Heinzer, Leiter Newsroom, Axa Winterthur

Was war der Auslöser für den Aufbau eines Newsrooms?

Mit der digitalen Transformation von Medienwelt und Versicherungsindustrie verändern sich die Kommunikationsbedürfnisse unserer Anspruchsgruppen kontinuierlich. Mit dem Newsroom-Ansatz können wir den erhöhten Anforderungen an Aktualität, Geschwindigkeit, Relevanz und Dialog schneller und effizienter gerecht werden. Gleichzeitig sind wir in der Lage, die anspruchsvoller werdende Kommunikation über alle Kanäle hinweg, deren Grenzen immer fliessender werden, besser zu steuern.

Wie lange habt ihr für die Umsetzung gebraucht?

Konzeption und Umsetzung dauerten etwa ein halbes Jahr. Danach mussten wir noch einige Monate warten, bis die von uns gewünschten Räumlichkeiten bezugsbereit waren.

Wie lautet der Auftrag des Newsrooms?

Zum einen haben wir uns auf die Fahne geschrieben, systematisch professionelles Storytelling nach einem «Public First»-Ansatz zu betreiben. Zum anderen ist es unser Anspruch, den neuen Bedürfnissen, Arbeitsmethoden und technischen Möglichkeiten unserer Zielgruppen optimal Rechnung zu tragen, etwa mit einem State of the Art Social Media Newsroom als Medienseite, gezielter Ansprache über Social Media-Plattformen wie Twitter sowie zeitgemässem Kommunikationsmaterial, etwa Videos, Fotos oder Grafiken. Gleichzeitig automatisieren wir mit dem Newsroom unsere Prozesse, schaffen neue Monitoring- und Analysemöglichkeiten und verkürzen unsere Reaktionszeit. Alles mit dem Ziel, unsere Wirkung nach innen und aussen zu vergrössern.

Welche Kanäle bewirtschaftet ihr aus dem Newsroom?

Neben der klassischen aktiven und reaktiven Medienarbeit betreuen wir den Media Newsroom, den neuen Axa Corporate Blog, einen Twitterkanal für Medienschaffende, die KMU-Kundenzeitschrift «Meine Firma» und ein Pensionierten-Bulletin, dazu den Newsteil des AXA Intranets, AXA TV (Inhouse TV) sowie diverse weitere Kanäle für die Mitarbeiterinformation.

Wie wichtig ist der Corporate Blog?

Der Blog ist unser zentraler Content Hub. Mit ihm wollen wir unseren Zielgruppen einen Blick hinter die Kulissen des Unternehmens AXA Winterthur geben, etwa mit Schadenreportagen, Agentur- und Mitarbeiterporträts oder Serviceartikeln. Bisher wurden solche Geschichten vornehmlich in der internen Kommunikation erzählt, nun machen wir sie auch der breiten Öffentlichkeit zugänglich. Das ist gemeint mit «Public First».

Der Blog ist unser zentraler Content Hub.

Und welchen Stellenwert hat die Medienarbeit?

Dienstleistungen für Journalisten sind natürlich weiterhin eine zentrale Aufgabe des Teams und werden mit unserem neugestalteten Media Newsroom sogar noch ausgebaut. Die klassische Medienarbeit verliert in der Unternehmenskommunikation aber tendenziell an Bedeutung. Mehr und mehr Menschen informierten sich hauptsächlich über Social Media. So geben laut «Jahrbuch 2015 Qualität der Medien» des Forschungsinstituts Öffentlichkeit und Gesellschaft der Universität Zürich (fög) mittlerweile 56 Prozent der jungen Erwachsenen an, «nie» eine Abonnementszeitung zur Hand zu nehmen. Wenn wir auch diese Zielgruppe erreichen wollen, müssen wir eigene Artikel und Videos veröffentlichen und in die sozialen Netzwerke tragen können. Dafür brauchen wir eine Plattform wie den AXA Blog.

Habt ihr überlegt, auch die Marketingkommunikation in den Newsroom einzubeziehen?

Wir haben einen integrierten Content Hub für sämtliche Zielgruppen geprüft ja, sind dann aber zum Schluss gekommen, dass es zielführender ist, uns auf die Unternehmenskommunikation zu beschränken und den Newsroom dafür als offene Plattform zu konzipieren, der von den Marketingkollegen mitgenutzt werden kann, wenn sie einen Vorteil darin sehen.

Wie gross ist der Wandel in der Struktur der Unternehmenskommunikation?

Wir haben uns organisatorisch komplett neu aufgestellt: War man bisher klassisch nach Zielgruppen ausgerichtet, steht nun die Themen- und Medienkompetenz im Vordergrund – und damit ein auf Nutzerinteressen und Tagesaktualität ausgerichtetes Storytelling quer über die Kanalgrenzen hinweg. Dazu haben wir zwei neue Berufsbilder geschaffen: Die sogenannten Themenmanager verantworten die vernetzte Kommunikation ihres Dossiers gegenüber allen Zielgruppen, seien es Medien, Mitarbeitende oder Öffentlichkeit. Aufgabe der Channelmanager ist es, über den Themenmix im jeweiligen Kanal zu wachen und diesen ständig weiterzuentwickeln.

Wir haben uns komplett neu aufgestellt. 

Welche Ressourcen stehen zur Verfügung?

Wir haben sieben Themenmanager sowie drei Channelmanager in Voll- oder Teilpensen. Dazu ich als Leiter Newsroom und meine Kollegin Nicole Horbelt, die zum einen meine Stellvertreterin ist und zum anderen als Head Media Relations die Themenmanager bei der Medienarbeit coacht.

Bedeutet Newsroom auch, dass alle in einem Raum arbeiten?

Ganz klar, ja. Das ist sehr wichtig für den raschen Austausch. Aber selbstverständlich sind auch weiterhin flexible Arbeitsformen wie Home Office möglich. Innerhalb des Newsrooms gibt es zudem separate Räume für Besprechungen oder konzentrierte Arbeiten.

Wie arbeitet ihr konkret?

Zentrales Element der Arbeitsweise im AXA Newsroom ist der ständige Abgleich zwischen der kurz- und mittelfristigen Kommunikationsplanung und der aktuellen Nachrichtenlage. Bei Bedarf wird die eigene Agenda übersteuert, um kurzfristige Opportunitäten zu nutzen und sich in laufende Debatten einzubringen. Aktive Unternehmenskommunikation ist dann erfolgreich, wenn die Inhalte, die wir transportieren wollen, dem momentanen Interesse der Öffentlichkeit entsprechen und eine neue Perspektive in die Diskussion einbringen.

Newsroom Team bei der Axa Winterthur vor grossen screens
Newsroom Team bei der Axa Winterthur (Foto: Marvin Zilm)

Wo liegt dein Arbeitsschwerpunkt als Leiter Newsroom?

Nach der Konzeption und Umsetzung des Newsrooms liegt mein Fokus nun in der Weiterentwicklung unserer Newsroom-Vision und bei der Themenplanung und –priorisierung. Zudem unterstütze und coache ich das Team in seiner neuen Rolle.

Wie seid ihr vorgegangen beim Umbau der internen Struktur?

Wir haben natürlich verschiedene Newsrooms inner- und ausserhalb der Medienbranche angeschaut. Ergiebiger war aber unsere eigene Analyse der Bedürfnisse der verschiedenen Zielgruppen, so dass wir den AXA Newsroom schliesslich so aufgebaut haben, wie er uns selbst optimal schien, ohne uns gross bei möglichen Vorbildern zu bedienen.

Wie haben die Mitarbeitenden in der Unternehmenskommunikation auf den Newsroom reagiert?

Sehr positiv! Es ist enorm, was dieser Newsroom an Energie und kreativem Potential freigesetzt hat. Gleichzeitig ist im Team aber auch ein gewisser Respekt vor den neuen Aufgaben zu spüren. Die Berufsbilder sind deutlich vielseitiger und damit anspruchsvoller geworden. Auf lange Sicht erachte ich dies aber als klaren Vorteil, weil wir bei uns aktuelle Entwicklungen abbilden und unsere Mitarbeitenden damit auch sich selbst «on-the-job» weiterbilden und fachlich auf der Höhe bleiben.

Es ist enorm, was dieser Newsroom an kreativem Potenzial freigesetzt hat.

Was war die grösste Herausforderung?

Die Geschwindigkeit, mit der wir sehr viel aufs Mal verändert und uns auf neues Terrain gewagt haben, war anspruchsvoll. Im Tagesgeschäft gilt es, trotz des grossen Workloads im Team genügend Freiräume zu schaffen, damit auch tatsächlich genügend Kapazitäten da sind, um tagesaktuell etwas stemmen zu können, wenn es darauf ankommt.

Wie gross ist die Umstellung von der kanalzentrierten zur themenzentrierten Denke und Arbeitsweise?

Die Umstellung ist gross, da wir ziemlich weit gegangen sind. So haben wir nicht nur die interne und externe Kommunikation zusammengelegt, sondern auch das Aufgabenspektrum deutlich erweitert. Jeder Themenmanager macht nun auch Medienarbeit zu seinem Thema und produziert vielfältige Content-Typen, bis hin zum Video. Die Umstellung fiel den Mitarbeitenden aber leichter als gedacht.

Was müsst ihr bis im Herbst 2016 erreicht haben, damit du zufrieden bist?

Wenn es nicht bei der coolen Story bleibt, sondern wir mit unserem Newsroom tatsächlich einen substanziellen und messbaren Beitrag zum Erfolg unseres Unternehmens leisten können.

Zur Person

Lorenz Heinzer ist seit Juni 2015 Leiter Newsroom bei AXA Winterthur. Zuvor war der Historiker und ehemalige Journalist Leiter interne Kommunikation und Publikationen.

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